Donnerstag, 18. Juni 2009 um 00.50 Uhr Wiederholungen: Keine Wiederholungen Die Sonne (Russland, Frankreich, Italien, 2005, 110mn) ARTE F Regie: Alexander Sokurow Kamera: Alexander Sokurow Musik: Andrei Sigle Schnitt: Sergei Iwanow Darsteller: Issei Ogata (Kaiser Hirohito), Kaori Momoi (Kaiserin), Robert Dawson (General Douglas MacArthur), Shinmei Tsuji (alter Diener), Shirô Sano (Kammerdiener), Tajiro Tamura (Wissenschaftler) Autor: Juri Arabow Produktion: Downtown Pictures, Nicolai-Film, Proline-Film Produzent: Andrei Sigle, Igor Kaljonow, Marco Müller
Im Jahr 1945 ist Japan nach der Invasion der amerikanischen Streitkräfte vollständig besetzt. Kaiser Hirohito, nach japanischem Glauben ein Abkömmling der Sonnenkönigin, steht vor einer Entscheidung, die Japan und die Welt verändern sollte: Stimmt er der bedingungslosen Kapitulation zu und verzichtet damit auf seine göttliche Abstammung? ARTE zeigt diesen Spielfilm innerhalb der Reihe "Russisches Kino". Tokio 1945. In seinem Luftschutzbunker empfängt der japanische Kaiser Hirohito über das Radio die neuesten Kriegsnachrichten. Es sind ausnahmslos Schreckensmeldungen über den Verlust japanischer Soldaten an der Kriegsfront. Japan steht kurz vor der Besetzung durch die amerikanischen Streitkräfte, doch das Volk scheint entschlossen, weiter zu kämpfen. Die antiamerikanische Propaganda stößt auf fruchtbaren Boden und die Soldaten leisten erbitterten Widerstand gegen die Eindringlinge. Auch Hirohitos Kriegsminister setzt trotz auswegloser Lage weiter auf den Patriotismus der Militärs; er werde die unzureichende technische Ausstattung der Armee schon kompensieren. Das japanische Volk werde schließlich von einem Kaiser göttlicher Abstammung geführt. Dieser Kaiser aber wird es nicht müde, gegenüber seinem Kabinett, aber auch seinen Dienern zu betonen, dass er einen Körper habe wie sie auch. Hirohito verlässt den Bunker nur, um sich seinen Forschungen in Meeresbiologie zu widmen. Versunken in das Studium kleiner Tierchen, die man nur in Japan findet, reflektiert Hirohito die Ursachen des Kriegs und die Auswirkungen, die die Niederlage auf sein Volk haben wird. Wieder zurück im Bunker formuliert er in einem Brief an seinen Sohn ein erstes Eingeständnis der Niederlage. Schon kurz darauf stehen die Amerikaner vor der Tür und der Kaiser wird durch die Ruinen Tokios ins Hauptquartier der Siegermacht gefahren - zu General Douglas MacArthur. Ihre Begegnung ist ein Schock der Kulturen: Das siegreiche Militär mokiert sich offen über einen "infantilen" Kaiser, der wie aus einer anderen Zeit zu kommen scheint. In ihren darauffolgenden Gesprächen geht es vor allem um die Zukunft Hirohitos - entweder als konstitutioneller Monarch oder als Kriegsverbrecher. Nach Lenin ("Taurus") und Hitler ("Moloch") ist Hirohito der dritte historisch bedeutende Staatsmann, den Alexander Sokurow in einem Film aus einem ungewöhnlichen, weil fast privaten Blickwinkel betrachtet. Vom Schauspieler Issei Ogata bewundernswert interpretiert, erweist sich Sokurows Hirohito als kindlicher Imperator mit menschlichen Zügen, der sich eingeengt fühlt von einem Protokoll, das die letzten Überreste veralteter Rituale zu konservieren sucht. So wird er es nicht müde, gegenüber seinen in totaler Hingabe erstarrten Dienstboten zu betonen, dass er einen Körper habe wie sie. Auch gegenüber seinem Kabinett fällt Hirohito menschelnd "aus der Rolle", macht sich Vorwürfe, dass er die Menschen, die ihn lieben, nicht habe schützen können. Wird er freiwillig kapitulieren? Zunächst beißt er noch auf Granit: Der fanatische Kriegsminister denkt über den Einsatz deutscher Schäferhunde bei Kamikaze-Aktionen nach. "Die Sonne" ist keine Filmbiografie des japanischen Kaisers, sondern konzentriert sich ganz auf die letzten Stunden seiner Existenz als gottähnlicher Herrscher. Wobei der Glaube, der Kaiser sei eine Abstammung der Sonnengöttin Amaterasu, von Sokurow fast parodistisch ausgehebelt wird, wenn er "seinen" Hirohito öffentlich daran zweifeln lässt. Ähnlich wie in "Moloch" zeigt Sokurow einen privaten Autokraten im freien Fall. Die Kamera hat Sokurow selbst geführt. Anders als in "Moloch" verzichtete er auf seine eigens für ihn gefertigten Linsen, die extreme Unschärfen kreierten; auch die extremen Diagonalen aus der Zeit von "Mutter und Sohn" sind verschwunden. Visuell weniger radikal, inhaltlich um so klarer - Sokurows "Die Sonne" lief im Wettbewerb 2005 auf der Berlinale.
Over there, over there, / Send the word, send the word over there / That the Yanks are coming, the Yanks are coming / The drum's rum-tumming everywhere / So prepare, say a prayer, / Send the word, send the word to beware / We'll be over, we're coming over / And we won't come back till it's over, over there -George M. Cohan-
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